Hornower Glockengeschichte

„Sag mir, wo die Glocken sind...“

Die drei Hornower Kirchenglocken hingen bis zum Jahre 1902 auf einem hölzernen Glockenstuhl neben der Kirche. Dann wurden sie auf den neuerbauten Kirchturm gebracht und durch eine 4. kleine ergänzt. Dort klangen die Glocken aber nur bis zum Jahre 1917. Dann wurden zwei der vier als Rüstungsreserve an das Gaswerk der Stadt Spremberg gegeben, von wo aus sie ihren Weg in die Rüstungsindustrie nahmen.

Über die Emotionen, die sich mit dieser Glockenabnahme verbanden, wird in den Unterlagen nichts berichtet. Da Hornow als absolut kaisertreu galt, kann man wohl annehmen, dass das ganze als vaterländische Pflicht angesehen wurde.

Nach dem Krieg begann ein umfangreiches Nachfragen, wo die Hornower Glocken geblieben sind. Behörden, Institutionen, Ministerien antworteten immer das Gleiche: Es gibt keinen Hinweis auf den Verbleib.

Im Jahre 1920 begannen sich die Hornower nach einer neuen, großen Glocke umzusehen. Bis 1924 wurden Angebote von den verschiedensten Gießereien eingeholt. Der Vertrag wurde mit der Firma Ullrich in Apolda abgeschlossen. Doch schon nach wenigen Wochen zeigte sich, dass es wohl den Wunsch nach einer neuen Glocke gab, dass es aber letztendlich am Willen und an der Kraft fehlte, diesen Wunsch auch zu realisieren.

1926 erinnerte die Firma Ullrich an ihren Vertrag und im Jahre 1928 setzten tatsächlich breite Aktivitäten zur Anschaffung einer neuen Glocke ein. Es wurden Glockenabende, Wohltätigkeitsfeste und Sammlungen durchgeführt, die dazu beitrugen, dass am 21. Mai 1932 der endgültige Liefervertrag abgeschlossen werden konnte. Am 8. September 1932 traf dann tatsächlich die neue Glocke in Döbern ein.

Ein festlicher Zug mit Schulkindern, Posaunenchor und Mitgliedern kirchlicher Körperschaften empfing sie an der Hornower Ortsgrenze mit Blumen und Girlanden, worüber im Spremberger Anzeiger vom 10.09.1932 ein begeisterter Bericht erschien.

Am Erntedanktag 1932 wurde die neue Glocke mit der Inschrift:

 

"Krieg riss mich vom Turm,
mit 52 fiel ich im Sturm,
Liebe hat mich erneut,
Friede sei mein Geläut"

eingeweiht.

Doch jetzt begannen die Probleme erst richtig. Am 10.12.1932 konnten noch einmal 100 Mark als Rate gezahlt werden. Doch dann ist man in Verzug geraten. Die ersten Mahnungen kamen und erneute Sammlungen erbrachten nur wenige Mark. Am 25.05.1937 drohte massiv die Pfändung der Glocke, aber der Pfarrer erwirkte mit einem flehentlichen Bittgesuch noch einmal einen Aufschub. Am 05. Februar 1938 war es dann geschafft. Die Glocke war bezahlt.

Nach zwei Jahren war das Schicksal der Glocke schon wieder beschieden. Am 03. April 1940 legte das Reichswirtschaftsministerium seine Hand auf alle deutschen Kirchenglocken. Sofort gab es hektisches Bemühen, die Hornower Kirchenglocken herauszubekommen, aber es wurden keine Ausnahmen gemacht. Der für Deutschland 1940 erfolgreich verlaufende Krieg führte allerdings dazu, dass die Abnahme der Glocken auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wurde. Durch den Krieg jedoch wurden die Männer knapp, die die Glocken läuten konnten. Deshalb wurde eine elektrische Läutemaschine bestellt.

Am 07. November 1941 verfügte schließlich der Reichswirtschaftsminister die Abnahme der Glocken. Trotz der strikten Anweisung, dass von allen Kundgebungen zur Glockenabnahme abzusehen ist, läuteten die Hornower Glocken eine Stunde lang unter der letzten vollen Läutemannschaft, Erwin Krollig und Kurt Pogan an der großen Glocke, Bernhard Schwella an der mittleren und Rudolf Krollig an der kleinen Glocke, bevor die große und die kleine Glocke am 05. Februar 1942 abgenommen wurden. Über Jahre hinweg tönte nur noch der einsame Klang der letzten verbliebenen Glocke über das Dorf.

Der Krieg ging zu Ende und der gleiche Mann, der 1917 die Glocken hergeben musste, 1919 nach ihnen forschte, über Jahre um eine neue Glocke kämpfte, sie 1932 bekam und 1942 schon wieder hergeben musste, fing erneut seine Suche an: Wo sind die Hornower Glocken? Über Jahre war über den Verbleib nichts festzustellen.

Doch am 07. Juni 1948 traf ein überraschender Brief ein. Eine der Hornower Glocken ist im Glockenlager Oranienburg gefunden worden und wurde nach Hornow geschickt. Voller Spannung und Freude wartete man in Hornow, doch die Glocke kam nicht. Stattdessen kam einige Tage später ein Brief aus Horno bei Guben. Es war falsch geliefert worden. Von dort wurde sie dann geholt und erst jetzt wusste man, dass es die kleine Glocke war.

Die große Glocke, die von 1932 bis 1942 nicht einmal ganz 10 Jahre Frieden läutete, wurde nicht mehr gefunden, so dass man davon ausgehen musste, dass dieses Instrument des Friedens letztlich zu einem Werkzeug des Krieges umgeschmiedet wurde.


"Sag mir, wo die Glocken sind ...", die Glockengeschichte kann im Jahre 2011 fortgeschrieben werden. Bereits zu Weihnachten 2009 wurde eine Spendenaktion gestartet, um eine neue Glocke herstellen zu lassen.

Am 08. März 2011 ist es dann so weit, eine kaputte Glocke wird vom Turm gehoben und zum Glockenschweißwerk gebracht.


Am 25. März 2011 wurde in Lauchhammer eine neue Kirchenglocke gegossen. Hier ein kleiner Eindruck, den die Hornower in Lauchhammer bekamen: "Fest gemauert in der Erde steht die Form, aus Lehm gebrannt ..." Seit dem 12. Jahrhundert läuft ein Glockenguss so ab, wie Schiller es besungen hat. Und doch ist es jedes Mal ein bewegender Moment für die Zuschauer, wenn das flüssige Metall durch die Rinne fließt - rot glühend und Funken sprühend - fauchend am Ende, wenn es in den Boden versinkt. 

In einer kurzen Andacht baten wir um gutes Gelingen. Und schon ging´s los. Drei Glocken wurden an diesem Tage insgesamt gegossen. Und aus jeder Gemeinde hatten sich Mitglieder eingefunden - ein ziemliches Gedrängel. Im Anschluss erklärte der Formenbauer die Schritte vor dem Glockenguss und berichtete noch aus der wechselvollen Geschichte der Glocken aus Lauchhammer. Als krönenden Abschluss deklamierte Frau Franke Teile der Schillerschen Ballade. In dieser festlichen Stimmung traten wir mit dem Bus die Heimfahrt an.

Am 21. Mai 2011 wurde die neue Glocke geweiht und zu Pfingsten war sie, mit den beiden anderen Glocken im Dreiklang vereint, zu hören